Dienstag, 23. April 2013

Die kognitive Dimension des 'Auftrages'

Zwischen Nachrichtendienstlern und Psychologen besteht nur ein beschränkter Gedankenaustausch. Der berühmteste Versuch dazu ist zweifelsohne der von Richards Heuer in seinem Buch 'Psychology of Intelligence Analysis'. Betrachtet man aber die Tätigkeiten eines Nachrichtendienstlers stellt man schnell fest, dass eigentlich alles was er tut von kognitiven Mechanismen bestimmt ist. Diese können zu falschen Gedankengängen oder Schlussfolgerungen mit erheblichen Konsequenzen führen (siehe Irakkrieg). Daher will ich auch die kognitive Dimension der nachrichtendienstlichen Aufklärung ansprechen, so sie mir denn als Laien auf diesem Gebiet, zugänglich ist. Meine Ausführungen auf diesem Gebiet sind inspiriert von der Forschung des RECOBIA Projektes, dass ich als Projektleiter koordiniere.

Erhält man einen Auftrag ist es die erste Aufgabe, diesen Auftrag zu verstehen. Aus kognitiver Sicht, ist dieser Schritt nicht so evident, wie man annehmen möchte. Je nachdem wie der Auftrag formuliert ist, wird er nämlich von uns wahrgenommen. Zum Beispiel, der Auftrag "Wieviele Atombomben besitzt Nordkorea?" wird ganz anders wahrgenommen als der Auftrag "Welche Hinweise haben wir, dass Nordkorea eine Atombombe hat?".

In der Formulierung des Auftrages ist bereits eine Tendenz beschrieben, die den Analysten in eine Richtung beeinflusst. Im ersten Fall wird er davon ausgehen, dass Nordkorea Atombomben besitzt, im zweiten Fall ist diese Tatsache nicht impliziert. Dementsprechend wird auch seine Herangehensweise unterschiedlich sein. 

In der kognitiven Psychologie wurden experimentell nachgewiesen, wie die Verwendung unterschiedlich starker Verben die Wahrnehmung beeinflussen. Im Experiment von Loftus und Palmer im Jahre 1974 wurden Studenten kurze Videos von sieben verschiedenen Autounfällen gezeigt. Anschliessend wurden die Studenten nach der Geschwindigkeit der verwickelten Autos gefragt, jedoch jeweils mit unterschiedlichen Verben. Die erste Gruppe erhielt die Frage "About how fast were the cars going when they smashed into each other?", die zweite "... when they collided into each other?", die dritte "... when they bumped...", die vierte "... when they hit each other" und die fünfte Gruppe "... when they contacted each other?".

Das Ergebnis war, dass die Stärke des Verbs die wahrgenommene Geschwindigkeit beeinflusst hat; entsprechend schätzte die erste Gruppe ("smashed") die Geschwindigkeit am höchsten und die Gruppe "contacted" am niedrigsten ein. Obwohl diese Untersuchung im Rahmen eines Forschungsprogramms zur Verlässlichkeit von Zeugenaussagen durchgeführt wurde, können die Ergebnisse auch auf Nachrichtendienste angewendet werden.

Ebenso wie die Formulierung des Auftrages ist auch die Person des Auftraggebers entscheidend: ist es eine politische Persönlichkeit, die auf der Platform des Krieges gegen den Terror gewählt wurde, oder ein Vertreter der Umweltbewegung? Je nachdem wer den Auftrag erteilt, beeinflusst bereits vor der Formulierung das Ergebnis. Daher sollten die politischen Entscheidungsträger der Tatsache eingedenk sein, dass die Antwort auf ihre Frage sowohl von ihrer eigenen Person, als auch der Formulierung der Frage beeinflusst wird.




Auftrag und 'planning and direction'

Im englischen Sprachraum wird die erste Phase des Intelligence Kreislaufes häufig als 'planning and direction' bezeichnet. Damit wird die Phase, die ich als 'Auftrag' bezeichne, unterschlagen. Der Auftrag steht aber zwangsläufig am Anfang einer jeglichen Tätigkeit eines Nachrichtendienstes - schliesslich muss jemand eine Anweisung geben, da die Dienste von sich aus nur selten aktiv werden dürfen. Damit soll verhindert werden, dass diese ein Eigenleben entwickeln.

Mit 'planning and direction' beginnt nach Erhalt des Auftrages die eigentliche Arbeit: der Auftrag wird in Unteraufträge aufgeteilt, eine Planung erstellt und verschieden Arbeitsschritte an Abteilungen und Analysten zugeordnet. Eigentlich geht es hier um Allokation der Ressourcen: wer macht was mit welchen Mitteln unter Aufwendung welcher Fähigkeiten in welchem Zeitrahmen.

Nachrichtendienstler sind nicht immer mit dieser Beschreibung einverstanden, da in kleinen Diensten die Planung und Ressourcenallokation kein eigenständiger Schritt im Prozess ist. Tatsächlich ist dieser Schritt sowohl bei der Leitung eines Dienstes, eines Teams oder einer Abteilung wichtig,  genauso wie bei einer individuellen Arbeit. Es ist ein Problem in der Organisation vieler Dienste, dass kein standardisiertes Verfahren für die Ressourcenallokation, auch auf individueller Ebene, besteht. Als Grund wird häufig paradoxerweise der Zeitdruck angeführt, der eine Planung unmöglich macht. Natürlich kann jeder die Argumentation nachvollziehen, der selber in der Uni eine Hausarbeit geschrieben hat: Planung klingt gut in der Theorie, wird aber nur selten gemacht. 

Hausarbeiten sind zwar eine wichtige Sache, aber ein Nachrichtendienst ist für die Sicherheit der Bürger zuständig. Daher sollte ein Prozess für Ressourcenallokation auf allen Ebenen, auch auf individueller Ebene, in jedem Nachrichtendienst Standard sein. 

Mittwoch, 17. April 2013

Need to know

Nachrichtendienste (aber auch andere Organisationen, die im sicherheitsrelevanten Umfeld tätig sind, z.B. die NATO) arbeiten auf der Basis des "need to know", d.h. nur derjenige bekommt die Information, der sie zwingend brauch. Die Notwendigkeit dafür ist dem Umstand geschuldet, dass im Umgang mit vertraulichen Informationen gewisse Restriktionen sinnvoll erscheinen. Durch das Einschränken von Zugang zu Informationen soll der Kreis der Eingeweihten klein gehalten und die Möglichkeit einer undichten Stellen und eines Geheimnisverrats minimiert werden.

Der Nachteil dieses Prinzips ist, dass nur wenige in der Organisation einen Überblick über das Gesamtbild haben. Die Meisten sehen nur einen kleinen Ausschnitt. Diese Restriktion schränkt aber die Möglichkeit ein, über den eigenen Tellerrand hinaus die eigenen Informationen in den Zusammenhang einzubetten. Das würde aber unter Umständen den Wert der Information oder die eigene Perspektive verändern und verbessern.

Um die Qualität der nachrichtendienstlichen Arbeit zu verbessern, wird daher das Prinzip des "need to share" postuliert, d.h. dass alle Informationen innerhalb einer Organisation allen Mitarbeitern zugänglich sein sollten, ausser den sensitiven. 

Obwohl Befürworter des "need to share" die steigende Effizienz dieses Prinzips als Argument anführen, kommen sie doch meist nicht aus den Nachrichtendiensten selbst. Die Arbeitskultur eines Nachrichtendienstes verhindert, dass ein so fundamentaler Wechsel der Arbeitskultur eintritt. Die gängige Auffassung ist, dass mein Wert als Person von der Anzahl der Geheimnisse abhängt, die nur ich kenne. Das ich auch der Fall, wenn diese Geheimnisse irrelevant, oder tatsächlich gar keine Geheimnisse sind. In der Realität ist es unwichtig, ob ich Geheimnisse kenne oder nicht, solange meine Mitarbeiter denken, dass ich Geheimnisse kenne.

So ist also ein vollkommen menschlicher Grund die Hauptursache, warum Geheimdienste nicht moderne Managementmethoden selbst anwenden.  

Montag, 15. April 2013

Der Intelligence Kreislauf: Auftrag (I)

Im ersten Schritt des Intelligence-Kreislaufes erteilt der Auftraggeber einen Auftrag ("Direction").

Der Auftraggeber, im Englischen spricht man auch von "customer", ist derjenige, der ein Informationsbedürfnis hat. Das kann die Regierung sein, die den Nachrichtendienst einschaltet, um Informationen zu erhalten, die für eine Entscheidung wichtig sind. Es kann auch der militärische Befehlshaber sein, der den militärischen Nachrichtendienst anweist, Informationen über die Feindkräfte zu sammeln. Und auf unterster ist es der direkte Vorgesetzte des Analysten, der die direkte Arbeitsanweisung an seine Mitarbeiter gibt.

Auf jeder Ebene wird also jeweils der Auftrag weiter an die darunterliegende Ebene gegeben, was zur Folge hat, das sich der Auftrag auf dem Weg von oben noch unten ändert. Das Prinzip ähnelt dabei der "Stillen Post". Wo im Weissbuch der Regierung die Bedrohung durch internationalen Terrorismus beschrieben wird, zergliedert sich dieser allgemeine Auftrag in den unteren Ebenen in die verschiedenen terroristischen Gruppierungen, in geographische Regionen und die verschiedenen Aspekte des Terrorismus, wie dessen Finanzierung und der dahinterliegenden Finanzströme, dem Waffen- und Sprengstoffhandel, der Rekrutierung usw.

Zu unterscheiden sind direkte Aufträge ("Wo hat Terrorist XY den Sprengstoff her?") und Langzeit-Aufträgen ("Überwachen sie Al Qaida!"). Beide gehören zum Alltag des Analysten, sind aber grundverschieden in ihrem Wesen. Der erste Auftrag erfordert das Finden von einer bestimmten Information, während bei Letzterem ein "Monitoring", ein permanentes Überwachen, notwendig ist, das Erkennen von kleinen und unscheinbaren Hinweisen ("weak signals"), die etwa auf eine geplante Aktion hinweisen könnten. 

Bei Langzeit-Aufträgen hat der Analyst, bzw. dessen Vorgesetzter bis hoch zum Geheimdienstchef, gegenueber dem politischen Entscheidungsträger die Bringschuld und muss darauf aufmerksam machen, dass etwa ein Anschlag (9/11), eine Revolution (siehe Iran 1979) oder ein Zusammenbruch eines politische Systems (UdSSR 1990) passieren könnte. In allen Beispielen haben die Nachrichtendienste spektakulär versagt und die politischen Entscheidungsträger nicht rechtzeitig gewarnt.

Der Grund für das Ausbleiben der Warnung wurden unterschiedliche Erklärungs- muster bemüht ("failure to connect the dots", Versagen der Führung der Nachrichtendiensts, Versagen der politische Entscheidungsträger). Diese Langzeit-Aufträgen erfordern jedoch von den Diensten, die Zukunft vorherzusehen, um zu unterscheiden was ein "weak Signal" und was nur unwichtig ist, was naturgemäß eine schwierige Sache ist ("It's hard to make predictions, especially about the future"). Die "Kunst" der Zukunftsanalyse werden wir uns in einem späteren Blogpost genauer ansehen. 

Abgesehen vom Erkennen der "weak signals" ist auch die interne Organisation des Dienstes, die Kommunikationsströme innerhalb des Dienstes und die Arbeitskultur entscheidend dafür, ob die verschiedenen Abteilungen und Mitarbeiter auch die Informationen von ihren Kollegen erhalten, die sie in die Lage versetzt aus den vielen kleinen Informationen ein schlüssiges Gesamtbild zu entwerfen. Dem entgegen steht, dass die Dienste nach dem Prinzip des "need to know" (notwendig zu wissen) arbeiten. Siehe dazu ein späterer Bolgpost.

Direkte Aufträge haben die Form einer Frage, auf die der Analyst eine Antwort finden muss. Hier ist also weniger Wahrsagerei als die erfolgreiche Suche nach der gefragten Information gefragt. Aber ebenso spielt die Zusammenarbeit der verschiedenen Abteilungen und deren Mitarbeiter eine entscheidende Rolle, genauso wie die technischen Möglichkeiten, die Verfügbarkeit von Informanten und die Fähigkeit, aus den vielen Informationen die richtige herauszufiltern. 

Samstag, 13. April 2013

MICE

Nachdem ich vor Kurzem das Thema Curveball angeschnitten habe, möchte ich heute über die Motivation von menschlichen Quellen schreiben. In der Welt der Nachrichtendienste (und nicht nur dort) hat sich das Akronym MICE durchgesetzt.


MICE steht für:


  1. Money
  2. Ideology
  3. Coercion (Zwang) oder compromise (Kompromitierung)
  4. Ego
'Money' ist selbsterklärend und steht für die Preisgabe von Informationen zum Zwecke der persönlichen Bereicherung.

'Ideology' ist die Motivation, die zum Beispiel aus einem politischen Vorstellung oder einer religiösen Überzeugung stammen kann. Besondern zu Zeiten des Kalten Krieges war das ein grosses Thema.

'Coercion' bedeutet, einen Informanten zur Preisgabe von Informationen durch Zwang, beispielsweise durch Bedrohung seines/ihres Leibes und Lebens oder der Familie zu zwingen. 

'Compromise' ist eine Technik, bei der der Informant durch die angedrohte Enthüllung von der die Person schädigenden Informationen zum Geheimnisverrat erpresst wird. In diesem Zusammenhang ist eine Methode zu nennen, die sich 'honey trap', also 'Honigtopf', nennt. Dabei wird beispielsweise eine attraktive Agentin auf die Zielperson angesetzt, um diese zu verführen. Beim Akt werden dann davon Fotos gemacht, die dann zur Erpressung genutzt werden. Besonders in Ländern mit strikten Moralvorstellungen ist diese Technik erfolgversprechend (aber natürlich nicht nur dort).

'Ego' ist die Motivation, die einen Informanten zur Preisgabe von Informationen bringt, da er sich dadurch in seinem persönlichen Wert gesteigert sieht. Im Mittelpunkt eines internationalen Spionage-Thrillers zu stehen, kann für einige Menschen seht verlockend sein.

Curveball wollte ursprünglich Asyl in Deutschland und einen Mercedes erhalten, was ich wohl in die Kategorie 'Money' im weitesten Sinne verordnen würde. Im Laufe der Geschichte ist dann wahrscheinlich die Kategorie 'Ego' dazugekommen.

Freitag, 12. April 2013

Was ist der Unterschied zwischen intelligence und Information?

In der Hierarchie des nachrichtendienstlichen Wissens, geht man häufig von Daten als der untersten Ebene aus. Daten können beispielsweise die Länge eines Panzers, die geographischen Koordinaten eines bestimmten Gebäudes oder die Temperatur eines Flusses sein.

Die nächste Ebene bildet die Information: der Name einer Person, Art der Waffen, die gerade von einer bestimmten Rebellengruppe gekauft wurde oder welche Geschäfte gezwungen sind, Schutzgeld zu bezahlen. Zur Informationsgewinnung gehören alle -INT Disziplinen (HUMINT, SIGINT, MASINT, IMINT etc.). Die genuine Aufgabe von James Bond ist es, Informationen zu beschaffen.

Und schliesslich intelligence. Leider ist mir kein deutsches Wort einer ähnlichen Bedeutung bekannt. Daten und Informationen verstehen und ihnen Sinn geben, das ist intelligence. Intelligence ist also eng mit Analyse verbunden, in der die verschiedenen Informationen miteinander in Verbindung gesetzt werden und anschliessend zu einem Gesamtbild zusammengeführt werden.

Häufig werden die Begriffe Information und intelligence synonym verwendet. So spricht man von HUMINT, also human intelligence, meint aber Informationen aus humanen Quellen (bin nicht sicher, ob ich das richtig übersetzt habe...). Man müsste also eigentlich HUMINF sagen, tut es aber nicht. Das ist eine Ungenauigkeit, die zu Missverständnissen führen kann und führt.

Als Beispiel dafür könnte man Curveball anführen. Curveball, eine irakische Quelle des BND, lieferte die Informationen, die die Grundlage für Collin Powells Rede im Sicherheitsrat der UN hielt, in der er die Welt von der Notwendigkeit einer Invasion des Irak überzeugen wollte. Der BND teilte die Informationen dieser Quelle mit seinen amerikanischen Partner-Diensten, die diese aber als intelligence interpretierten. Wenn aber eine Quelle Informationen zu angeblichen Bio-Kampfstoff-produzierenden Lastwagen liefert, heisst das noch lange nicht, dass diese Information in einen Kontext eingebettet und verstanden ist: welche Motivation hat die Quelle, diese Informationen zu liefern? Gibt es andere Quellen, die diese Information bestätigen oder widerlegen? Wie erlangte die Quelle an diese Informationen? Nur ein Verstehen des Unterschiedes von Information und intelligence hätte Collin Powell den Schandfleck seiner Karriere erspart (beachte den synonymen Gebrauch der beiden Begriffe im verlinkten NYT Artikel).

In diesem Sinne benutze ich die Begriffe Daten, Informationen und intelligence in diesem Blog.

Donnerstag, 11. April 2013

Die Kritik am Intelligence Kreislauf

Eine einfache google Bilder-Suche des Wortes "intelligence cycle" gibt schon einen guten Hinweis darauf, warum der Kreislauf so umstritten ist: die fünf im letzten Blogpost beschrieben Schritte sind für viele Nachrichtendienstler unzureichend oder gar falsch.

Für die einen sind fünf Schritte ausreichen, andere vermissen Schritte (wie z.B. dem Schritt "feedback" des Kreislaufes von Wikipedia), wieder andere kombinieren verschiedene Schritte. Da alle Einwände berechtigt sind, gibt es also keine genaue Definition des Kreislaufes - jeder beschreibt ihn in einer Weise, wie er seiner individuellen oder organisationellen Denk- und Arbeitsweise entspricht.

In einem sind sich jedoch alle Kritiker einig: eigentlich ist der Kreislauf gar kein Kreislauf. Denn jeder Nachrichtendienstler wird bestätigen, dass die tatsächliche Arbeitsweise eines Nachrichtendienstes nicht mit einem Kreislauf abgebildet werden kann (wie eine Beschreibung der tatsächlichen Arbeitsweise aussehen könnte, werden wir uns demnächst anschauen). Tatsächlich wäre die Darstellung eines Intelligence Sterns wahrscheinlich hilfreicher, da die verschiedenen Arbeitsschritte häufig zu Nachjustierungen in anderen Schritten führen können.

Die Arbeitsweise eines Nachrichtendienstes ist ein iterativer Prozess, in dem jeder Arbeitsschritt den anderen beeinflusst, in alle Richtungen. Die Frage des Auftraggebers wird durch die gefundenen Informationen beeinflusst, die Analyse wird wiederum durch die Fragestellung beeinflusst, beeinflusst aber ihrerseits die Informationsbeschaffung. Daneben findet noch die Informationsverarbeitung statt, die ja die Informationen filtert und standardisiert, bevor sie auf dem Schreibtisch des Analysten landen, aber gleichzeitig interessante Quellen für die Informationsbeschaffung identifizieren kann.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass in verschiedenen Diensten die Arbeitsweise verschieden organisiert ist. In den Nachrichtendiensten kleinerer Länder kann es beispielsweise vorkommen, dass der Analyst auch in der Informationsbeschaffung tätig ist. Dies ist durch das Auftreten von OSINT (Open Source Intelligence - Informationen aus offenen Quellen, wie dem Internet) noch häufiger geworden.

In anderen Diensten ist diese Vermischung von Tätigkeiten nicht möglich, da die Analysten häufig keinen Zugang zum Internet haben (aus Sicherheitsgründen). Diese Analysten sind also auf die Informationen angewiesen, die von der Informationsbeschaffung rübergeschickt wird.

Die Informationsbeschaffung wiederum gliedert sich in die vielen Untergruppen (die verschiedenen -INTs). Da sehen wir uns also keinem monolithischen Block gegenüber, sondern vielen verschiedenen Abteilungen. Je nachdem wie der Dienst organisiert ist, bestehen unter Umständen Rivalitäten zwischen den einzelnen Abteilungen; besonders zwischen der operativen Informationsbeschaffung, der Krone der nachrichtendienstlichen Schöpfung, die im Staub der arabischen Wüsten Informationen über salafistische Milizen sammeln, und den IT geeks, die im Keller hinter Computern nach verdächtigen Webseiten suchen. So kann es also vorkommen, dass (informell) Analyse auch in der operativen Abteilung stattfindet.

So ist der Intelligence Kreislauf eine vollkommen unnütze Beschreibung der nachrichtendienstlichen Tätigkeit; er wird aber trotzdem immer angeführt.

Mittwoch, 10. April 2013

Das älteste Gewerbe der Welt...

... ist nicht das, das als solches landläufig bekannt ist, sondern das des Nachrichtendienstlers. Um nämlich an den erhofften Genuß zu kommen, muß man erstmal herausfinden, wo man eine solche Dienstleistung überhaupt in Anspruch nehmen kann.

Dies ist eine typische Aufgabenstellung in der nachrichtendienstlichen Aufklärung.

q.e.d.

Der Intelligence-Kreislauf

Klassischerweise stellt man die verschiedenen Tätigkeiten, die im Zuge der nachrichtendienstlichen Aufklärung durchgeführt werden, in einem Kreislauf dar. Die übliche Bezeichnung, "intelligence cycle", ist nicht klar definiert, obwohl sich jeder darauf bezieht, der in der nachrichtendienstlichen Aufklärung tätig ist. In diesem Blogpost werden wir den Intelligence-Kreislauf betrachten, wie er häufig dargestellt wird (so auch bei Wikipedia oder der CIA).

In zukünftigen posts werden wir dann auf die einzelnen Schritte genauer eingehen und mögliche Alternativen entwickeln. 

Weit verbreitet ist die Darstellung des Kreislaufes mit fünf Schritten:

  1. Auftrag (Direction) 

In diesem ersten Schritt erteilt der Auftraggeber die Anweisung, eine Antwort auf eine bestimmte Frage zu finden. Der Auftraggeber kann auf niedrigstem Niveau der direkte Vorgesetzte des Analysten sein, oder, auf höchstem Niveau, der politische Entscheidungsträger, der dem Geheimdienst eine Weisung erteilt. Der Auftrag kann taktischer ("Wo befindet sich das feindliche Schiff?"), operativer ("Welche Wege nutzen Schleuserbanden auf dem Weg nach Deutschland?") oder strategischer Natur sein ("Wie weit sind die Iraner in ihrem Atomprogramm?"). 
 Je nachdem wie die Frage formuliert ist und welches Niveau sie anspricht, kann sie noch unterteilt werden. Aber das werden wir in einem zukünftigen Blogpost besprechen. 

  2. Informationsbeschaffung (Collection) 

Ausgehend vom Auftrag werden die für die Beantwortung der Frage notwendigen Informationen beschafft, sei es aus offenen oder verdeckten Quellen. Im Rahmen der Informationsbeschaffung werden häufig die verschiedenen Unterdisziplinen der nachrichtendienstlichen Aufklärung genannt, wie HUMINT (Human Intelligence - Intelligence aus menschlichen Quellen), SIGINT (Signal Intelligence - Intelligence aus Quellen der Telekommunikation), MASINT (Measure and Signature Intelligence - Intelligence, die aus Messen und Vergleichen von Messdaten gewonnen werden, wie z.B. Radarmessungen), IMINT (Image Intelligence - Intelligence, die aus der Bildauswertung gewonnen wird) und noch eine Vielzahl weiterer -INTS. 
An dieser Stelle möchte ich auf die Unklarheit hinweisen, die ein Problem der Definition ist und daher ständig anzutreffen ist: dem Unterschied von Information und Intelligence. Dieser Debatte werden wir uns in einem zukünftigen post widmen. 

  3. Verarbeitung (Processing) 

In diesem Schritt werden die gefundenen Informationen verarbeitet, d.h. sie werden technisch so modifiziert, dass sie anschliessend ausgewertet werden können. Beispiele für die Datenverarbeitung sind die Indexierung, Versehen mit Anmerkungen (tagging/annotating), die Vereinheitlichung der Formate usw. Dieser Schritt ist sehr IT-lastig. 
Bei manchen Geheimdiensten gehören einige Tätigkeiten zur Verarbeitung, die bei anderen Diensten in einem anderen Schritt des Kreislaufes angesiedelt sind, wie zum Beispiel das Übersetzen von Informationen, das bei einigen Diensten zur Verarbeitung gehört, bei anderen zur Analyse. 

 4. Analyse (Analysis) 

In der Analyse hat die Information, nachdem sie von James Bond gesammelt und von Computern gekämmt und frisiert wurde, endlich das Untergeschoss in einem jeden Geheimdienstgebäude erreicht, wo die Analysten untergebracht sind. Die Analyse werden wir uns in Zukunft en détail anschauen, daher sei die Beschreibung hier kurz gehalten. 
In aller Vereinfachung: In der Analyse wird versucht, aus den gesammelten Information ein Gesamtbild zu schaffen und den Daten einen Sinn zu geben. 

 5. Bericht (Dissemination) 

Die fertiggestellte Analyse wird anschliessend dem Auftraggeber vorgetragen, sei es in einem mündlichen Vortrag, schriftlich oder als powerpoint Präsentation. Nach dem Vortrag kommen dann neue Fragen oder Nachfragen zum Bericht und der Kreislauf beginnt von vorne.

Soweit zur Theorie. Den bei Wikipedia vorgeschlagenen 6. Schritt, die Rückmeldung oder das feedback, unterschlage ich hier bewusst (wie die CIA interessanterweise auch), da es zum einen schon in Schritt 5 stattfinden kann (wie einige argumentieren), zum anderen, da sich genau hier eine heiße Debatte entzündet, nämlich wie von wem an wen, wann und zu welchem Zweck dieses feedback gegeben werden soll. Mehr dazu in einem künftigen post.